Der Turm
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I. |
Schon
lang sitz' ich in diesem Turm, Bequem
ist's hier, es braust ein Sturm - Dort
draußen, doch ich sitze hier, Und
sinne, wie es steht mit mir. Hab'
jetzt erst ein Gefühl verspürt, Das
beißend, reißend mich verzehrt. Die
Luft zum atmen reicht nicht aus, So
stoß‘ ich alle Fenster auf. ...Warum?
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II. |
Der
Stoff aus dem der Turm gebaut, Er
gab mir alles was ich braucht‘. Ich
lebte schönen Träumen gleich Auf
einer Wolke – watteweich, So
hoch und fern der Wirklichkeit, Vom
kargen, argen Leid befreit. War
glücklich um den schönen Fund Denn
Geist und Körper sind gesund.
...Verblendung?
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III. |
Jahr
um Jahr verging die Zeit, Als
ich kam, da kam ich frei. Es
lockte mich die Einsamkeit, Die
Sicherheit, Glückseligkeit. Bin
eingesperrt durch mein Bestreben Nach
einem ewig, stetig Leben. Nun
rieche ich den frischen Duft, Der
langsam füllt die tote Gruft.
...Was fehlt?
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IV. |
Gefesselt
von manch süßem Schmaus Verspürt‘
ich keinen Drang hinaus. Doch
hör‘ ich mein Gewissen schrei‘n: „Macht‘s
denn noch Sinn, hier zu verweil‘n?“ Den
Schlüssel hab‘ ich in der Hand, Das
Tor zum weiten, seichten Land, Durch‘s
Schlüsselloch fällt mystisch Licht, Doch
ob er paßt, ich weiß es nicht.
...Hab's nie versucht!
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V. |
Von
solchem Zweifel aufgewühlt Vertrau’
ich stärker auf‘s Gefühl. Voll
Sehnsucht blick‘ ich aus dem Loch In
das ich feige mich verkroch. Der
Dunst gewährt mir keine Sicht Hinaus
ins klare, wahre Licht, Ob
Selbstbetrug, ob Eitelkeit, An
diesem Ort bin ich nicht frei.
...Wohin?
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VI. |
Zerbrecht
die Tafeln! Sprengt die Ketten! Hinweg
mit Dir, Du scheußlich‘ Schrecken. Was täuschtest Du mein Herz und Geist Durch
Zauber und Magie so dreist. Ich
brauch‘ nicht länger Deinen Segen, Nun
auf, ins herrlich, sterblich Leben. Nur
Mut, der erste Schritt wird’s zeigen, Wer
stärker sein wird von uns beiden.
...ich zweifle?
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VII. |
Oh
Schreck! Du bist ein Teil von mir, Erkenne
Dich an Deiner Zier. Du
nennst Dich Hochmut, Arroganz, Versteckst
Dich hinter Furcht und Angst! Ich hab‘ Dich damals selbst erlesen Aus
scheinbar gutem, klugem Streben. Ich
will mit neuer Kraft beginnen Und
meinem Schicksal schnell entrinnen.
...ein Weg?
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VIII. |
War's
Angst vor Neuem, Unbekanntem, Daß
ich so zögerlich erkannte: Des
Lebens Sinn ab heute heißt Nicht
länger mehr Bequemlichkeit! Darf
mich der Welt nicht mehr entziehen Um
edles, stetes zu vollbringen. Dort
draußen braust ein heft‘ger Sturm, Noch
sitz‘ ich hier, in diesem Turm... ...aus
Elfenbein!
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© Wolfgang Unger, Feb. 1997 |